Schlägt Aufklärung in Barbarei zurück?

Max Horkheimer / Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung

Max Horkheimer / Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung

1933 wurde Theodor W. Adorno aufgrund seiner jüdischen Abstammung von den Nationalsozialisten die Lehrerlaubnis entzogen. Adorno ging nach England und arbeitete ohne ordentliche Anstellung an der Universität Oxford weiter. Vier Jahre später bekam er dann vom Institut für Sozialforschung in New York eine Stelle angeboten. Dort hatte Max Horkheimer, ein acht Jahre älterer jüdischer Fabrikantensohn, das private Institut wieder aufgebaut, das aufgrund seiner marxistischen Ausrichtung in Frankfurt aufgegeben werden musste. Gemeinsam verarbeiteten Adorno und Horkheimer in den USA dann das Zeitgeschehen im Werk Dialektik der Aufklärung, das sie 1944 noch vor Kriegsende veröffentlichten: Weiterlesen

Können wir nur gemeinsam frei sein?

Georg Hegel: Grundlinien des Rechts

Georg Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts

In jenem Jahr, in dem Napoléon starb, veröffentlichte Georg Wilhelm Friedrich Hegel seine Grundlinien der Philosophie des Rechts. Ausgangspunkt ist die Idee, dass mit der Aufklärung die Natur aller Zufälle beraubt wurde und die Wissenschaft sie zu durchschauen, ihre inneren Gesetzmäßigkeiten zu verstehen beansprucht. Bei der Gesellschaft hingegen wird weiterhin so getan, als würde sie dem Zufall gehorchen. Das kann nach Hegels Meinung nicht angehen, da auch sie der Vernunft gehorche: Weiterlesen

Keine Vernunft ohne Freiheit?

Immanuel Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten

Immanuel Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten

Vier Jahre vor der Französischen Revolution, neun nach der US-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und zwei nach Ende des darauf folgenden Krieges erschien in Preußen 1785 mit der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten von Immanuel Kant eine Moralphilosophie mit dem Anspruch, dass sie nicht nur für Menschen, sondern für alle vernünftigen Wesen gelten müsse und sich allein aus deren Vernunft ableiten lasse. Kann man also die Frage danach, was gut und was böse ist, was man tun und was man lassen soll, beantworten, ohne auf eine göttliche Offenbarung diesbezüglich oder eine andere äußere Quelle von Verhaltensvorschriften zurückzugreifen? Kant geht davon aus, dass das möglich ist, wobei individueller Freiheit eine zentrale Rolle zukommt: Weiterlesen

Kann man jemanden zwingen, frei zu sein?

Jean-Jacques Rousseau: Du Contract Social

Jean-Jacques Rousseau: Du contrat social

Berühmtheit erlangte Jean-Jacques Rousseau nicht durch Charakterstärke, sondern durch seine Schriften. Seine Kulturkritik über Kunst und Wissenschaft und auch sein Erziehungsbuch Emile setzen beide auf dem Unbehagen auf, wonach die Freiheit der Menschen unter den gegebenen Umständen nicht gewahrt wird. Einerseits stehen dem Fortschritt und Wissenschaft entgegen, andererseits der auf Kinder ausgeübte Zwang. Mit Erziehung allein wird sich das aber nicht ändern lassen, denn die Gesellschaft insgesamt lässt keine Freiheit zu, wie er im Gesellschaftsvertrag schreibt:

„Der Mensch ist frei geboren, doch überall liegt er in Ketten.“ (Rousseau 1977, S. 5)

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Schützt Gewaltenteilung Freiheit und Gleichheit?

John Locke: Two Treatises of Government

John Locke: Two Treatises of Government

Von seiner Schule aus konnte der 16 Jahre alte John Locke die Rufe der versammelten Menschenmenge hören, die am 30. Januar 1649 der Enthauptung des englischen Königs beiwohnte. Nicht nur sieben Jahre Bürgerkrieg waren damit beendet, sondern vorläufig auch die Monarchie. Die Welt seiner Kindheit existierte nicht mehr. So nah konnte er diesem bedeutenden Ereignis nur aufgrund der guten Kontakte seiner wohlhabenden Eltern zu einflussreichen Parlamentariern sein. Deshalb durfte er auch ohne adlige Herkunft das vornehme Londoner Internat Westminster School besuchen. Von dort wechselte er drei Jahre später an die schon damals angesehene Universität von Oxford, wo 50 Jahre zuvor auch Thomas Hobbes sein Studium aufgenommen hatte, und erlebte als Student die Zeit der englischen Republik und des Lord Protectors Oliver Cromwell. Als im Jahr 1660 die Monarchie wieder eingeführt und Karl II. als König eingesetzt wurde, hatte Locke sein Studium abgeschlossen und ebenfalls in Oxford eine Lehrtätigkeit für Griechisch, Rhetorik und Ethik übernommen. Nebenbei hatte der Sohn eines republikanischen Offiziers noch ein Medizin-Studium absolviert, aufgrund dessen er sich 1668 daran wagte, den königlichen Schatzkanzler Anthony Ashley-Cooper zu operieren, was diesem vermutlich das Leben rettete und Lockes eigenes in neue Bahnen lenkte, denn er wurde dadurch Leibarzt und Sekretär des Schatzkanzlers.

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Kein Geld ohne Mitbestimmung?

Thomas Hobbes: Leviathan

Thomas Hobbes: Leviathan

Die Auswirkungen eines selbstbewussten Parlaments bekam Karl I. (englisch: Charles) gleich bei seinem Regierungsantritt im Jahr 1625 zu spüren. Üblicherweise wurde die Erhebung der Hafensteuer dem englischen König auf Lebenszeit bewilligt. Diesmal aber beschränkte das Parlament seine Zustimmung auf ein Jahr, weil es dem Fürsten misstraute. Es ging um Religionspolitik. Denn Karl heiratete kurz nach der Thronbesteigung zwar standesgemäß eine Königstochter, jedoch war diese abstammend von dem Konvertiten Heinrich IV. von Frankreich und dessen zweiter Frau Maria – einer mit seiner Schwiegermutter aus erster Ehe entfernt verwandten Medici – katholisch. Viele Engländer lehnten aber jede Form von Katholizismus rundweg ab. Angesichts der Geschehnisse in der gut 50 Jahre zurückliegenden Bartholomäusnacht hegten die mittlerweile zahlreichen Protestanten schlimme Befürchtungen. Weiterlesen

Hilft Souveränität gegen Bürgerkrieg?

Jean Bodin: Les six livres de la République

Jean Bodin: Les six livres de la République

Das Herrschaftsverständnis des Mittelalters sorgte seit eh und je zu widerstreitenden Ansprüchen zwischen Kirche und König; durch die Reformation und den Behauptungswillen ihrer Anhänger wurde die Lage dann noch unübersichtlicher und die starke Stellung des Hochadels tat ein Übriges. Adlige, Katholiken, Protestanten und der König, sie alle strebten nach Macht und sahen sich jeweils im Recht. Aus Sicht des Papstes betrieben die Reformatoren eine Spaltung der christlichen Glaubensgemeinschaft, wogegen Hugenotten und Lutheraner die katholische Kirche längst vom in der Bibel vorgegebenen Pfad abgekommen sahen; gegen beide strebte der König seine Herrschaft über das Land durchzusetzen, wodurch sich die Fürsten aber nicht ihrer alten Rechte berauben lassen wollten. Und sie alle kämpften längst mit jenen Methoden, die von Machiavelli niedergeschrieben und Caterina in die Wiege gelegt wurden. Die Folgen waren Kampf, Krieg, Intrigen und viel Leid in der Bevölkerung. Weiterlesen

Sind Grausamkeiten notwendig?

Niccolò Machiavelli: Il Principe

Niccolò Machiavelli: Il Principe

Mit dem Buchdruck erschien eine Flut an ungebetener Literatur, aufgrund derer sich die katholische Kirche gezwungen sah, mit dem Index Librorum Prohibitorum ein Verzeichnis verbotener Bücher zu erstellen. Auf dieser erstmals im Jahr 1559 erstellten Liste fanden sich insgesamt 550 Autoren wieder, darunter auch ein Zeitgenosse Luthers, der sich für religiöse Fragen überhaupt nicht interessierte. Niccolò Machiavelli war vielmehr daran gelegen, Herrschern Verhaltensregeln an die Hand zu geben, die dem Machterwerb und -erhalt dienen sollten. Für einen Vorrang des Glaubens blieb dabei kein Platz, statt dessen reduzierte sich Religiösität auf ein brauchbares Instrument, um sich die Gunst des Volkes zu sichern: Weiterlesen

Sind Könige oder Päpste näher zu Gott?

Thomas Aquinas

Thomas Aquinas

Beginnend mit Bologna im Jahr 1088 entstanden die ersten Universitäten. Die Lehre dort stützte sich vor allem auf biblische und aristotelische Texte, sodass die Gelehrten fortan europaweit auf einer gemeinsamen Grundlage und Denkweise aufbauten. Auch in den Schriften des Thomas von Aquin (lateinisch: Thomas Aquinas), der in Neapel, Paris und Köln studiert hatte, ist der Einfluss von Aristoteles unverkennbar: Weiterlesen

Sind wir alle verdammt?

 
Augustinus: De civitate Dei

Augustinus: De civitate Dei

Ein Zeiteuge des römischen Niedergangs war der am 13. November 354 geborene Augustinus, Sohn eines kleinen Landwirts in Nordafrika. Er wuchs damit im wichtigsten Getreideanbaugebiet Roms zu einer Zeit auf, in der Constantinus längst die christliche Wende des Reiches eingeleitet hatte. Von der Mutter christlich erzogen, hing Augustinus in seinen Ausbildungsjahren zum Rhetorik-Lehrer zwischenzeitlich anderen Glaubensrichtungen an, bis dann im Alter von 31 Jahren die völlige Hinwendung zur Religion seiner Kindheit während eines Aufenthalts in Mailand bei genau jenem Bischof Ambrosius erfolgte, der zwei Jahre später niemand geringeren als Kaiser Theodosius aus der Kirche ausschließen sollte. Das konnte Augustinus zwar nicht ahnen, aber immerhin war das Christentum zum Zeitpunkt der Bekehrung bereits Staatsreligion. Christ zu sein, war folglich kein Wagnis mehr, sondern vom Kaiser per Gesetz vorgegeben. Augustinus ging nach seiner nicht nur gesetzlich bestimmten, sondern nun auch persönlich empfundenen Übernahme des christlichen Glaubens zurück nach Afrika und gründete dort in jenem Jahr 391 ein Kloster, in dem Theodosius das Verbot aller heidnischen Kulte aussprach und damit jenem Gott tatkräftig zur Durchsetzung verhalf, den er selbst eigentlich nicht als hilfsbedürftig, da allmächtig ansah.

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